22.09.11

Inklusion: Unser Brief für alle Eltern und für die Schule


Hallo,

Ich bin E. (7 Jahre alt). Ich möchte mich sehr gern vorstellen und euch etwas erzählen.

Ich bin ein glückliches Kind, das gern lacht, spielt und lernt. Wie Ihr habe ich Träume und Wünsche: ein glückliches Leben mit Menschen, Freunden und Verständnis.

Ich bin in der Schule. Toll dass wir eine Integrationsgruppe haben. Hier können wir unsere Erziehung in Toleranz und Respekt beginnen. Das gefällt mir. Ich werde mich wohl fühlen. Ich mag mit den anderen Kindern spielen und ich lerne sehr schnell, mehr und mehr.

Mich weiter zu entwickeln macht mir Freude. Ich bin vor allem ein Kind wie alle Kinder. Deshalb habe ich auch meine Stärken und meine Schwächen. Ich brauche Liebe, Lob und Anerkennung.
Es tut mir weh, wenn ich manchmal schlechte Kommentare über mich höre. Ich glaube, dass Niemand es verdient hat. Abweisung macht viel Aua!

Technik, bauen und zählen sind einfach super. Ich werde Ingenieur, wie Papa. Journalistin wie Mama glaube ich nicht, obwohl ich schon alle Buchstaben und manche Wörter lesen und schreiben kann. Ich bin nicht doof.
Ich bin kein Autist. Ich bin EIN KIND und ich habe Autismus; aber Autismus wird auf keinen Fall ein Problem für meine Entwicklung sein. Ich bin ein Kämpfer, ich will lernen und ich schaffe alles, wie die anderen Kinder.

Keine Sorge. Jetzt erkläre ich, was Autismus bedeutet. Ihr braucht keine Angst davor zu haben. Wir lieben, fühlen, weinen, genießen, leiden, kommunizieren, spielen… Am Anfang brauchen wir nur mehr Hilfe, Orientierung und Struktur. Darum ist eure Unterstützung sehr wichtig für mich.

Danke schön.


Was ist Autismus? 

Autismus ist keine Krankheit, sondern ein Syndrom. Es gibt zwei Menschen mit Autismus nicht gleich.

Menschen mit Autismus haben Probleme mit der Sprache und der Kommunikation. 

Na ja, als ich klein war konnte ich nicht sprechen. Aber jetzt kann ich sogar zwei Sprachen: deutsch und auch mehr und mehr spanisch.

Man soll mit mir ganz klar, nicht so laut, mit kurzen Sätzen und immer von vorne sprechen. Ich antworte sehr gern. Ich kenne viele Sachen, die euch sicher interessieren. Probier mal, mit mir zu reden. Sicher ist es schön.
Ich kann sagen, was mich oft stört: bestimmte Geräusche, viel Lärm, Unruhe, wenn die Kinder weinen, Sachen, die kaputt sind… Aber manchmal bin ich etwas hilflos, am meisten wenn jemand mich ärgert.

Ich drücke gern meine Wünsche aus: was ich Essen möchte oder dass ich mit den Kindern spielen will oder welches Geschenk mir am besten gefällt.

Manchmal brauche ich ein bisschen mehr Zeit zu verstehen und zu antworten, am meisten wenn viele Leute gleichzeitig sprechen.

Ich frage sehr gern die anderen Kinder, ob ich auch mitmachen darf. Es macht mich traurig, wenn sie „Nein“ sagen.

Jetzt kann ich sprechen, aber ich verstehe die Unverständnis der anderen nicht.

Menschen mit Autismus haben Probleme im sozialen Umgang.

Die Leute sprechen viel, es gibt immer viele Reize um mich herum, mein Gehirn verarbeitet gleichzeitig viele verschiedene Informationen, meine Wahrnehmung ist empfindlicher… Aber ich bin auch auf dieser Welt, nicht in meiner Welt. Übrigens, eine Welt, wo es Platz für alle gibt. Wir sind alle gleich, wir sind alle anders.
Es gibt viele Menschen, die Hilfe brauchen. Ich habe allerdings Trilliarden von Vorteilen: ich kann lernen, und wie!

Meine Eltern, meine Lehrerin und die Kinder könnt mir alles beibringen. Ich bin sehr fleißig. Bis jetzt habe ich Imitation, Spiele, Benehmen, Mimik, Körpersprache, Verhalten, Emotionen oder Empathie geschafft.
Das war Arbeit. Meine Arbeit, obwohl ich nur ein Kind bin. Aber ich bin groß, und bald werde ich auch die Decke anfassen können. Solange die Decke noch zu hoch ist, kann ich erfahren, was mir gutes und Spaß bringt: SPIELEN und LERNEN.

Ich mache es gern, lieber mit anderen Kindern als allein. Zusammen mit den Kindern kann ich weiter meine Fantasie, Regeln, Witze, Vorsätze oder Unsinn weiter und weiter entwickeln. Leider werde ich auch Sachen kennen lernen, die mir nicht gefallen. Ich meine: lügen, Schuld zuweisen, streiten und so weiter.

Aber eine Sache ist mir sehr klar. Ich will auf keinen Fall lernen, Jemanden zu kränken, zu beleidigen oder nicht zu akzeptieren.

Menschen mit Autismus wiederholen Handlungen und mögen keine Veränderungen.

Ok, so ging es mir früher. Ich erkläre warum. Da ich nicht so gut die unruhige Welt ertragen konnte, brauchte ich immer Routinen und Abläufe die ich kenne. Sie geben mir Sicherheit.

Na ja, es ist nicht so schwer zu verstehen. Ich wollte immer den gleichen Weg nehmen, ich liebte am meisten Sachen, die ich beherrschen konnte (an- ausschalten, statt nicht zu wissen, welche Reaktion kommt), strukturierte Formen bauen –Reihen zum Beispiel, als chaotische neuen Sachen. Neue Sachen machten mir, insbesondere Früher, oft Angst und gaben mir Unruhe.

Aber jeden Tag entdecke ich, dass die Welt eine Abenteuer ist. Ich bin ein Entdecker, ein Entdecker, der immer bereits sein muss. Jetzt möchte ich etwas metaphorisch sein: meine Eltern geben mir die Karte, die Taschenlampe, die Mittel, die Erklärungen, die Orientierung, die Begleitung, die Möglichkeiten, sogar die Ziele. Aber langsam brauche ich nur die Ziele, und immer weniger und weniger Zubehör. Die beste Hilfe ist, mir vorher zu sagen, was als nächstes kommen wird. Dann weiß ich Bescheid und kann alles besser sortieren.

Ich hoffe, dass ich nicht zu viel gesagt habe, oder zu wenig. Wo ist die Grenze? Ich weiß es nicht. Obwohl ich denke, dass ich groß bin, ich bin nur ein Kind mit vielen Hoffnungen und einer großen, grenzlosen, unbekannten Zukunft vor mir. Bei euren Kindern ist das genauso.

Wir, die Kinder auf der Welt, haben kein Problem, wenn wir über Zukunft, Toleranz, Respekt, Inklusion, Möglichkeiten oder Rechte denken. Wir sind einfach unschuldig, Kinder eben.

Unser tolles Leben ist auch in euren Händen.

Euer lieber E.

Ich mag:
Ich mag nicht:
Ich kann:
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